Mit nachhaltigem Fonds Gutes für die Umwelt tun. Das wollen einige. Damit es gelingt, muss klar sein, welchen Ansatz die Anlagen verfolgen.
Für Privatanleger gibt es drei Gründe, in nachhaltige Anlagefonds zu investieren: Man leistet einen Beitrag für die Umwelt, macht es wegen des Gewissens oder erhofft sich eine überdurchschnittliche Rendite. Letzteres in der Annahme, dass nachhaltige Unternehmen künftig besser abschneiden als nicht nachhaltige.
Thomas Stucki, Anlagechef bei der St. Galler Kantonalbank, hat zum ersten Punkt eine klare Meinung: «Wer etwas für die Umwelt tun will, bewirkt mehr, wenn er streng Velo fährt, den ÖV benutzt oder einen Elektrowagen kauft statt ein Benzinauto.» Mit anderen Worten: Wer umweltverträglich agieren will, ist als Konsument gefordert, nicht als Anleger. Wenn die Nachfrage nach Elektroautos steigt, werden die Autokonzerne von sich aus auf E-Mobilität setzen.
Und doch stellt sich die Frage, ob Privatanlegerinnen mit dem Kauf von nachhaltigen Fondsanteilen zumindest einen winzigen Beitrag leisten können. Grundsätzlich lautet die Antwort – sofern der nachhaltige Fonds tatsächlich in nachhaltige Anlagen investiert.
Anfänglich gab es grüne Fonds, dann ethische. Heute ist nur noch von nachhaltigen Anlagen die Rede, auch ESG genannt. Die Abkürzung steht für Environmental, Social, Governance. Es soll nur in Unternehmen investiert werden, die punkto Ökologie, Sozialverträglichkeit und Unternehmensführung vorbildlich sind. Diese Ausweitung auf drei Ebenen macht die Sache weder einfacher noch transparenter: Für Privatanleger steht meistens der Umweltschutz im Vordergrund, während Vermögensverwalter auch soziale Faktoren oder Governance-Aspekte berücksichtigen. Das führt dazu, dass ein Wertschriftendepot nicht nur Unternehmen enthält, die beim Klimaschutz geführt sind.
Die Marke Nachhaltigkeit lässt sich gut verkaufen. Doch weil der Begriff «nachhaltig» nicht geschützt ist, lässt sich Etikettenschwindel kaum vermeiden – sogenanntes Greenwashing. An Versuchen, dies zu unterbinden, mangelt es nicht.
Nicht alles, was die Nachhaltigkeitsindustrie als nachhaltig deklariert, ist es auch in den Augen der Öffentlichkeit. Ein Beispiel: Ein Ölkonzern kann nach allgemeinem Verständnis nicht nachhaltig sein. Und doch befinden sich auch Ölkonzerne in nachhaltigen Portfolios. Wie das? Best-in-Class heisst das Stichwort. Best-in-Class heisst salopp ausgedrückt: Man investiert in die jeweilige Branche in die Dreckschleudern, die am wenigsten Dreck verschleudern. Oder vornehmer: Wenn sich ein Unternehmen bemüht, seine Emissionen so unverschädlich wie möglich zu halten, gilt es als nachhaltig und kann beim Best-in-Class-Ansatz berücksichtigt werden.
Gut für die Umwelt oder finanziell relevant?
Andere Fonds haben Ausschlusskriterien: etwa keine Investments in der Rüstungs-, Öl- und Alkoholindustrie. In der Schweiz ist das der häufigste Ansatz. Adriano Lucatelli, Inhaber des Vermögensverwalters Descartes Finance, warnt aber: Es gebe keine Garantie, dass tatsächlich kein Alkohol drin ist. Deshalb heisse es etwa, dass deren Anteil am Umsatz nicht mehr als 5 oder 10 Prozent betragen würde.
Stringent und auch für Laien nachvollziehbar ist der Themenansatz. Man kauft Anteile von Themenfonds, die abschließend in Unternehmen einer nachhaltigen Branche investieren, etwa in erneuerbare Energien. Für Laien nicht einfach zu verstehen ist hingegen der ESG-Integrationsansatz. Dieser will mit der Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren die Chancen und Risiken von Unternehmen besser erkennen. Es genügt, jedes Investment auf seine Nachhaltigkeit zu prüfen, um den ESG-Kriterien gerecht zu werden. Der Ansatz verfolgt auch nicht das Ziel, positive Veränderungen in Umwelt und Unternehmensführung herbeizuführen. Beim Anlagenentscheid werden nur finanziell relevante Faktoren berücksichtigt.
Ganz anders beim Impact Investing: Das Ziel besteht darin, einen messbaren Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu leisten. Das geschieht zum Beispiel, indem Großinvestoren wie Pensionskassen ihre Aktionärsrechte ausüben und so Einfluss nehmen. Wenn etwa Ölgiganten aufgrund des Drucks von Aktionären einen Teil ihrer Gewinne in Windparks investieren, hat das positive Auswirkungen – eben einen positiven Impact.
Swiss Sustainable Finance, der Verband zur Förderung nachhaltiger Anlagen in der Schweiz, unterscheidet zwischen acht verschiedenen Ansätzen, komplizierten und weniger komplizierten. Meistens verfolgte einen Fonds mehrere Ansätze gleichzeitig. Um den Überblick zu haben, braucht es einiges an Fachwissen. Kleinanleger sind überfordert, und das Verkaufspersonal ist gefordert. «Ich wünschte mir eine gewisse Standardisierung», sagt Ueli Stähli, Bereichsleiter bei der Bank EKI in Interlaken. Da die einzelnen Fonds verschiedene Ansätze kombinieren, sind sie kaum vergleichbar. Für Banken und deren Beraterinnen ist das nicht unproblematisch. Die Bankiervereinigung hat Richtlinien herausgegeben, wonach in jedem Beratungsgespräch das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen werden sollte. Doch die Beraterinnen und Berater sollten auch kompetent beraten können.
Manche Anlagestrategien entfalten mehr positive Wirkung als andere. Interessanterweise scheint das Anlegerinnen und Anleger weniger zu kümmern. Das weiss Julian Kölbel, Assistenzprofessor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität St. Gallen. Gemäss seiner Studie investierten die meisten des guten Gefühls wegen. Das wird immer einfacher, denn nachhaltige Anlagefonds boomen: Die Hochschule Luzern (HSLU) zählt Mitte 2022 bereits 1858 nachhaltige Anlagefonds. Das entspricht einer Steigerung um 44 Prozent innerhalb eines Jahres. Gemäß der jährlich durchgeführten Sustainable-Investments-Studie der HSLU erhält nur jeder fünfte Anlagefonds das Prädikat «nachhaltig».
Keine Frage: Der Trend setzt sich fort. Das zeigt auch das Beispiel von Swisscanto. Alle aktiv bewirtschafteten Vermögenswerte in den traditionellen Anlageklassen verfolgen einen Nachhaltigkeitsansatz. Die Tochtergesellschaft der Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat sich 2020 zu diesem Schritt entschieden. Nicht weil das die Kundschaft so will, sondern aus der Überzeugung, «dass wir risikoadjustiert mit nachhaltigen Anlagen eine bessere Rendite erzielen werden», erklärt Iwan Deplazes, Leiter Vermögensverwaltung bei der ZKB.
Die Vorgehensweise zählt
Rentieren nachhaltige Anlagen besser als nicht nachhaltige? Dazu gibt es zig Studien. Die Antwort ist einfach: Je nach Anlageuniversum und je nach untersuchter Zeitperiode schneidet mal die eine, mal die andere Kategorie besser ab.
Adriano Lucatelli von Descartes Finance sagt: «Wer ein gut diversifiziertes Portefeuille mit einer optimierten Risikostruktur will, wird langfristig mit einem nachhaltigen Fonds nicht schlechter fahren.» Problematischer sei es aber, wenn die Wirkung der nachhaltigen Anlage, der Impact, im Vordergrund stehe. «Dann ist damit zu rechnen, dass sich der nachhaltige Ansatz renditemässig nicht auszahlt.»
Auf den Nachhaltigkeitsansatz kommt es auch an. Das zeigt auch die jüngste Entwicklung des S&P Global Oil Index mit den 120 größten Öl- und Gasförderkonzernen der Welt. Er kletterte 2021 um 35 Prozent und 2022 um weitere 19 Prozent in die Höhe, während praktisch alle relevanten Börsenindizes zumindest im zurückliegenden Jahr Kursverluste einfuhren. Anlagefonds, die kategorisch Öl und Gas ausschließen, werden es auch schwer haben, langfristig eine bessere Performance zu erzielen als solche mit breit diversifiziertem Portefeuille, die etwa den Best-in-Class-Ansatz verfolgen.
Erschienen im Beobachter am 28. April 2023
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